NEUIGKEITEN AUS UNSERER SCHULE

2. Türchen (Adventskalender)

2. Türchen

„Lieber Weihnachtsmann,

Ich hoffe dieser brief kommt schnell bei dir an, weil ich hab so viele wünsche an dich!

Ich kann mich aber nicht für eins entscheiden, des wegen wollte ich dich fragen ob du vieleicht eine ausname machen kannst bei mir?

Weil ich will ein Dinosaurier und ein Drache und Superkräfte!

Ich will groß und stark sein um Mama zu beschützen und ich
will das Mama mehr zuhause ist, und ich brauche eine unsichtbarkeits decke, damit wir
uns vor Papa verstecken können.

Und ich muss den nächsten Test in der schule
bestehen. Ich hoffe du kannst mir helfen ein polizist zu sein, weil ich möchte anderen
kindern helfen!

Und kannst du es bitte Schneien lassen an Heiligabend, Mama liebt den schnee und Ich auch!“

 

Der Brief ging noch lange weiter, mit vielen kindischen Forderungen, Rechtschreibfehlern und unübersichtlichen Zeichnungen an den ‘Weihnachtsmann’. Doch was Soren damals nicht wusste, ist, dass Mutter seinen Brief anscheinend im Dachboden vergraben hat, anstatt ihn zu versenden.

Er lässt einen langen Seufzer aus: „1987... Man, da war ich sechs.“ Seine schroffe Stimme brachte das alte Holz zum Vibrieren. „Polizist, hm?“, murmelte er, bevor er den Brief in seine Hosentasche stopfte.

Er bleibt in der Hocke, und hielt für einen Moment inne. Die Erinnerungen seiner Kindheit blitzten durch seine Gedanken. Soren erinnerte sich an die Weihnachtszeiten,
die er mit seiner Mutter verbrachte. Sie feierten nie, dieses Privileg konnten sie sich nicht leisten, doch Soren hatte die Leuchtketten, Dekorationen und den Schnee immer in guter Erinnerung.

Mit einem weiteren Seufzer steht Soren auf, und seine Augen wanderten durch den Rest des Dachbodens. Sie landeten auf einem alten, zersplitterten Spiegel. Die Risse im Spiegel gaben der Reflektion einen kaleidoskopischen Effekt, Soren konnte nicht anders, außer den Spiegel genauer zu inspizieren. Jeder einzelne Splitter scheint seine eigene Geschichte erzählen zu wollen, aus einem bestimmten Zeitpunkt.

Als Soren dem Spiegel gegenüberstand, hörte er etwas, eine hohe und aufgeregte Stimme dröhnte durch Sorens Kopf. „Haben wir es geschafft?!”, sagte die Stimme.

Doch Soren schaute nur zu Boden, er vermied den Blickkontakt mit dem Spiegel. „Was haben wir geschafft?”, flüsterte er vor sich hin.

„Ja, du weißt doch! Der Brief, ist er angekommen?”, sagte die Stimme mit kindlichem Enthusiasmus. Doch Soren starrt weiterhin nur den Boden an. Mit einem plötzlich tieferen Ton zischte die Stimme: „Wie lange willst du noch vor dir selbst fliehen?”

Die Stimmlage der Stimme vertiefte weiter, und jedes Wort besaß einen schroffen Grundton: „Warum bist du zurückgekehrt, wenn du die Wahrheit nicht akzeptieren
kannst?”

Soren zuckte zusammen und schloss seine Augen. Doch die Stimme hörte nicht auf.
„Wieso liest du den Brief nicht zu Ende? Du Feigling, traust dich nicht mal, deine Unzulänglichkeiten dir einzugestehen”, höhnte die Stimme: „Du wolltest Polizist werden, Leben retten, aber konntest nicht einmal deine eigene Mutter retten.”

Soren biss sich auf die Zunge und kniff die Augen eng zusammen. „Du traust dich nicht einmal, in den Spiegel zu schauen”, dachte Soren.

Doch plötzlich spürte Soren einen kalten Stich in seinem Nacken, und er riss den Kopf instinktiv hoch. Eine weitere Schneeflocke landete auf seiner Nase, der frische Geruch und das kalte Gefühl brachten Soren zum Nießen.

Weitere Schneeflocken landeten auf seinem Kopf durch das Loch in der Decke, welches ihm soeben aufgefallen ist. "Es schneit, dabei sollte es doch gar nicht
schneien?”, murmelte Soren vor sich hin.

„Ausgerechnet heute... an Heiligabend?” Soren schüttelte den Kopf, doch bevor er es merkte, fing er an leicht zu kichern. Sein Blick wanderte vom Loch in der Decke runter zum Spiegel.

Er sah einen Mann, um die 40 Jahre alt, mit ungepflegtem Haar und einem riesigen Rucksack. Seine Augen waren rot und überlaufen von Tränen, und einzelne
Schneeflocken finden ihren Weg auf seinen Kopf. Soren kannte diesen Mann sehr gut, er hasste ihn schließlich vom Herzen,
dafür, dass er seine Träume nie verfolgte,
dafür, dass er elendig betteln muss, um zu überleben,
dafür, dass er an jenem Heiligabend seinen Vater nicht davon abhielt, diesen Spiegel zu
zersplittern, mit dem Kopf seiner Mutter.

Doch obwohl es an jenem Heiligabend nicht schneite, schneit es an diesem. Soren sah sein Spiegelbild an, er blickte sich selbst tief in die Augen, und ein bestimmter Gedanke kam ihm in den Sinn.

„Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Vielleicht können Wünsche immer wahr werden.”

Er legte eine Plane über den zersplitterten Spiegel und verließ sein altes Zuhause, mit seinem Brief an den Weihnachtsmann.

 

Autor: Edris Nura (Jahrgangsstufe 12)
Bildzeichnerinnen: Melina Hamann und Afnan Messoudi (Klasse 8)