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16. Türchen (Adventskalender)
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- Veröffentlicht: Dienstag, 16. Dezember 2025 00:00
16. Türchen: Das verlorene Licht
Heute ist der 24. Dezember.
Es ist ein besonders kalter Morgen, und mein Atem steht wie Nebel in der Luft.
Meine Wangen frieren, und ich habe so viele Gedanken in meinem Kopf.
Früher hat sich dieser Tag so magisch und so voller Freude angefühlt.
Trotzdem stehe ich wie jedes Jahr noch vor allen anderen auf und mache mich auf den Weg in den Wald.
Ich kenne diesen Weg im Schlaf.
Doch irgendwie fühlt er sich immer fremder an.
Ich trage dicke Socken mit Rentieren drauf und meine Lieblingsboots.
Meine Ohren frieren, weil ich meine Mütze nicht gefunden habe.
Meine Hände stecke ich tief in meine Jackentaschen, um sie etwas zu wärmen.
In der rechten Hand halte ich einen Brief, einen noch leeren Brief.
Als ich den Waldrand erreiche, wird es ganz still.
Ich höre nur noch das Knirschen meiner Boots im Schnee.
Dann sehe ich das Haus, das verlassene Holzhaus mit der Bank davor.
Jedes Jahr, wenn ich hier ankomme, sehe ich ein Licht in dem oberen Fenster.
Doch dieses Jahr sehe ich nichts.
Kein Licht.
Für einen Moment hoffe ich, dass ich mich nur täusche.
Vielleicht verdeckt der Schnee nur das Fenster.
Aber das Licht bleibt aus.
Meine Brust zieht sich zusammen, und auf einmal fühle ich mich so leer und hilflos.
Ich gehe weiter, Schritt für Schritt, bis ich die Holzbank erreiche.
Der Schnee auf der Lehne glitzert im schwachen Morgenlicht.
Hier habe ich jedes Jahr gesessen und geschrieben.
Ich setze mich und lege den leeren Brief auf meinen Oberschenkel.
Meine Hände zittern, aber nicht nur wegen der Kälte.
„Warum bist du aus?“, flüstere ich in die Richtung des Fensters.
Es klingt dumm, als würde ich wirklich mit dem Licht sprechen, und vielleicht tue ich das auch.
Das Leuchten war für mich immer ein Zeichen, ein Zeichen dafür, dass ich nicht allein bin und dass es Dinge gibt, die gleichbleiben, auch wenn sich alles andere verändert.
Irgendwie fühlte es sich dieses Jahr so falsch an, diesen Brief zu schreiben.
Doch nur, wenn ich den letzten Punkt setze, hört das Chaos in meinem Kopf für einen Moment auf.
Ich nehme meinen Stift in die Hand und setze ihn an der ersten Zeile an.
Mein Kopf ist leer.
Ich starre das Papier an, in der Hoffnung, es würde sich von selbst füllen.
Ich gucke hoch, zum Fenster, zum dunklen Fenster.
Jetzt weiß ich, was ich schreiben möchte, meine Hand bewegt sich fast wie von allein.
Jedes Jahr hat dein Licht mich gefunden, dieses Jahr nicht, und vielleicht ist das nicht deine Schuld, sondern meine. Vielleicht ist nicht dein Licht erloschen, sondern meins. Ich weiß nicht, wann ich aufgehört habe, an die Magie der Weihnacht zu glauben, wann ich aufgehört habe zu hoffen. Ich dachte immer, erwachsen werden heißt frei sein, doch eigentlich fühlt es sich nur nach zu wenig Zeit und zu vielen Gedanken an. Vielleicht finde ich das Licht eines Tages wieder, und die Magie erfüllt mich wieder mit Hoffnung. Hoffnung auf Ruhe, Wärme und Geborgenheit. Und vielleicht war das Licht nie verloren. Vielleicht habe ich einfach nur verlernt, es zu sehen. Und irgendwann wird das Licht wieder angehen, es reicht nur ein Funke.
Ich lege den Stift wieder hin.
Ich starre den fertig geschriebenen Brief an.
Ich fühle mich noch nicht bereit, den Weg nach Hause zu gehen, deswegen bleibe ich noch auf der Holzbank sitzen und schaue den fallenden Schneeflocken zu.
Als ich mich dann irgendwann doch wieder auf den Weg nach Hause mache, schaue ich noch mal zurück.
Zurück auf das dunkle Fenster.
Für einen Augenblick sah es aus, als würde dort ein Licht flackern.
Vielleicht war es Einbildung.
Aber vielleicht war es auch ein Anfang.

Autorin: Lotta Kranick, Jg. 12
Bilddruck: Nilgon Tajuddin Zada, Jg. 5




