Gemeinsam Lernen - kursinterne Differenzierung im Fach Chemie

Die Idee

Der Gesamtschule obliegen als integrierte Schulform jene Herausforderungen, denen sich auch die Schulen anderer Länder stellen mussten – und dies erfolgreich getan haben.

Durch die letzten PISA Ergebnisse wurde erneut gezeigt, dass Schulformen, die weniger stark selektieren und stattdessen die Schülerinnen und Schüler in ihrer Unterschiedlichkeit länger gemeinsam lernen lassen, erfolgreich sind.

Durch die Problematik der aussortierten Grundkurse der vergangenen Jahre sensibilisiert, hat sich eine Gruppe von Chemielehrerinnen und Chemielehrern zusammen gesetzt und über neue Wege nachgedacht.

Vorerfahrungen von anderen Schulen gab es bei dem Weg, den wir gehen wollten, nicht: Wir waren und sind die einzige bekannte Schule in NRW, die Chemie in den Klassen 9 und 10 nicht in Lerngruppen nach Leistungsniveaus (E- und G-Kurs) einteilt, sondern gemeinsam in kleineren Kursverbänden unterrichtet.

Da die rechtlich vorgeschriebene Einstufung von Schülern in die beiden genannten Niveaus innerhalb des Kurses vorgenommen wird, haben wir unser Unterrichtsprojekt Kursinterne Differenzierung (KiD) Chemie genannt.

Diese Herausforderung anzunehmen geht nur in einem eng kooperierenden Team, das war von Beginn an klar. So arbeiten wir inzwischen seit über zwei Jahren außerordentlich eng in einem Team von Chemiekolleginnen und -kollegen zusammen, und tauschen uns nicht nur über die Fachinhalte aus, sondern entwickeln gemeinsam die Unterrichtsreihen, transparente Leistungskriterien und ein Methodencurriculum.

 

Neue Wege

Die treibende Kraft, dieses Vorhaben durchzuführen, war unser Anliegen, den Schülern eine möglichst lange Entwicklungsperspektive zu geben und die Schullaufbahn nicht in zu frühen Jahren festzulegen. Dies führt zu einer erhöhten Flexibilität bei der Abschlussprognose, wie es Gesamtschulen eigentlich programmatisch fordern.

Schüler zweier Lernniveaus gemeinsam in einem Kursverband zu unterrichten erschien uns nur dann durchführbar, wenn sich mit der inneren Differenzierung auch das Bild und Verständnis unserer Lehrerrolle veränderte. Mehr als je zuvor halten wir die Schüler zu selbstständiger und selbstorganisierter Arbeit im Chemieunterricht an. Lehrer begleiten und beraten sie dann auf dem Weg, ein gewähltes Leistungsniveau zu erreichen. So hat sich die Lehrerrolle wegbewegt von dem Bild des Belehrenden hin zum Lernbegleiter und Coach. 

 

Organisation

Zu Beginn des differenzierten Unterrichts in der Jahrgangsstufe 9 werden aus den 180 Schülern des Jahr-gangs acht Kurse gebildet. Die Bildung von acht Kursen aus sechs Klassen führt zu stabilen, kleineren Gruppen (22 bis 23 Schüler) und somit zu effektiverem Arbeiten und sichererem Experimentieren. 

Es wird durch KiD eine Kursbildung ermöglicht, die auf pädagogischen Überlegungen und nicht wie bisher, auf der Trennung leistungsstarker und leistungsschwacher Schüler basiert. Die Kurseinteilungen werden daher auch in Absprache mit den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern vorgenommen. Diese in der Jahrgangsstufe 9 gebildeten Lerngruppen erfahren nun bis zum Ende der Sekundarstufe I keine weiteren Veränderungen ihrer Zusammensetzung durch Auf- oder Abstufungen. Somit entfällt bei einer Umstufung für die Schüler die zusätzliche Umstellung auf eine neue Lerngruppe, eine neue Lehrerin bzw. einen neuen Lehrer und unter Umständen einen anderen Unterrichtsinhalt.

 

Fazit

Wir ermöglichen mit KiD einen aktiven Unterricht, weil wir...

... Heterogenität zulassen.

Die Kurse werden nach pädagogischen und nicht nach Leistungskriterien zusammengestellt. Soziale Bindungen bleiben damit konstant und wirken stabilisierend. Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit der Schüler werden gestärkt, kooperative Lernformen fordern Kommunikation und stärken die soziale Verantwortung.

 ... Sicherheit geben.

Experimente sind überwiegend als Schülerversuche konzipiert und stärken den verantwortungsvollen Umgang mit Chemikalien. Das gemeinsame Arbeiten und Präsentieren fördert das Selbstkonzept der Schüler und stärkt die Methodenkompetenz nachhaltig. Durch die Transparenz der Leistungsbewertung werden Lernende wie auch die Eltern in die Lage versetzt, den Lernprozess aktiv zu begleiten.

 ... Kontinuität anbieten.

Selbstentwickeltes, standardisiertes Unterrichtsmaterial ermöglicht Lehrenden eine engere Kooperation. Vertretungsstunden gibt es im klassischen Sinne nicht mehr, da die Schüler über den Lernweg informiert sind. Sie können selbstständig weiter arbeiten und werden bei Ausfall des Fachlehrers nur durch eine andere Lehrperson beaufsichtigt. Die Perspektive auf einen bestmöglichen Schulabschluss bleibt für alle Schüler bis in die 10. Klasse erhalten. Damit geben wir auch in den gelegentlich kritischen Phasen der Pubertät die Sicherheit, sowohl sozial wie auch fachlich nicht rückgelassen zu werden. Da Kurswechsel nicht mehr stattfinden, entfallen die Probleme durch Wechsel der Lerngruppen und des Lehrenden.

... den Lehrenden neue Handlungsfelder eröffnen.

Durch den verstärkten Einsatz schüleraktivierender Methoden wird der Lehrender von unterrichtlicher Präsenz entlastet. Der Lehrende kann sich verstärkt als Moderator oder Lernbegleiter verstehen, der Schüler in Gesprächen individuell berät. Sowohl leistungsschwächere wie auch leistungsstärkere Schülern können dadurch optimal gefördert und gefordert werden.

 

Der Unterricht

Um den Anforderungen hinsichtlich Methodenreichtum und abwechselnden Sozialformen gerecht zu werden, haben wir den Aufbau des Chemieunterrichtes in den Klassen 9 und 10 grundlegend neu überdacht und neu konzipiert. Durch die enge Kooperation in dem Team der Chemielehrer war es möglich, bisher wenig eingesetzte Unterrichtkonzepte zu erproben. Dazu gehören beispielsweise die Lernbüros (Klasse 9 – Hauptgruppenelemente) und die Projektarbeit zu den Säuren und Basen.